Umwege und das Stillsein


„Deshalb ließ Gott das Volk einen Umweg machen [...]“, stachen die Worte heraus, als ich eines Morgens in meiner Bibel las. Einen Umweg machen. Es hat sich sehr vertraut angehört...

Ich erinnerte mich an die Zeit, als mein Mann und ich unser erstes Kind erwartet hatten, und an die ersten zwei Jahre meines Mamaseins. Eigentlich habe ich mich die ganze Schwangerschaft lang so sehr darauf gefreut, endlich Mama zu werden. Die Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen und gefühlt war alles so schön. Ich hatte mir ausgemalt, wie wundervoll es sein wird, meinen Sohn in den Armen zu halten, für ihn alles zu sein, was er braucht, und diese besondere Verbindung zwischen der Mama und dem Baby hautnah zu erleben.

Als es aber soweit war und ich die ersten Tage nach einer schweren Geburt mein Baby im Arm halten durfte, habe ich nichts 'Übernatürliches' gespürt. Ich hielt ein neues Lebewesen, kümmerte mich um es und war für es objektiv gesehen alles, was es brauchte. Nur im Inneren gab es keinen Klick. Und es gab den auch nicht in den kommenden Wochen oder Monaten. Erst als mein Sohn fast zwei Jahre alt war, fühlte ich mich als Mama angekommen. Nein, es heißt nicht, dass ich gar keine 'Muttergefühle' zu ihm empfand. Ich hatte ihn lieb, freute mich über ihn. Doch das war alles andere als eine tiefe innige Verbindung, die einfach vom Tag eins da ist (so war es bei meinem zweiten Kind).

Der Weg zu dieser 'natürlichen' Bindung war lang und es fühlte sich wie ein unnötiger Umweg an (Vorfreude auf das Mamasein - Umherirren im Prozess des Ankommens als Mama, Bindungsschwierigkeiten und ein starkes Gefühl des Versagens - die lang ersehnte Freude des Mamaseins, eine starke Bindung zum Kind). Bis heute weiß ich nicht hundertprozentig genau, warum das genau so sein musste. Doch im Gegensatz zu damals bin ich heute davon überzeugt, dass dies für unsere Familie und für mich persönlich ein wichtiger und notwendiger Weg war. Es lehrte mich/uns einiges und deckte vieles auf, was vor Gott gebracht werden musste. Der Umweg machte also definitiv Sinn (aber erst im Nachhinein).

Unten möchte ich einige Verse aus den Kapiteln 13 und 14 im 2. Mose zitieren. Es handelt sich dabei um den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Die Markierungen weisen auf die Stellen hin, die mir beim letzten Lesen dieser Geschichte besonders aufgefallen sind und die ich sehr ermutigend finde.

„Als der Pharao das Volk ziehen ließ, führte Gott sie nicht durch das Land der Philister. Das wäre der kürzeste Weg gewesen, aber Gott dachte: „Wenn das Volk dort in einen Kampf verwickelt wird, könnte es den Auszug bereuen. Dann will es nach Ägypten zurückkehren.“ Deshalb ließ Gott das Volk einen Umweg machen und führte es durch die Wüste zum Schilfmeer. […] Der Herr ging ihnen voran. Tagsüber ging er in einer Wolkensäule voran, um ihnen den Weg zu zeigen – nachts in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. So konnten sie Tag und Nacht gehen.“ – 2. Mose 13,17-18.21.

„Als der Pharao näher kam, blickten die Israeliten auf und sahen: Die Ägypter rückten hinter ihnen heran! Da bekamen die Israeliten große Angst und schrien zum Herrn um Hilfe. Sie beklagten sich bei Mose […]. Darauf sagte Mose zum Volk: „Fürchtet euch nicht! Stellt euch auf und seht, wie der Herr euch heute retten wird! Denn so, wie ihr die Ägypter jetzt seht, werdet ihr sie nie wieder sehen. Der Herr wird für euch kämpfen. Ihr aber sollt still sein.““ – 2. Mose 14,10-11a.13-14.

Lass dich ermutigen: Mitten in deinem Leben (hier in dieser Welt, in diesem Lebensabschnitt vor der Ewigkeit) geht Gott selbst dir voran. Seine Wege sind vollkommen. Seine Gedanken sind höher als deine. Vielleicht denkst du wie ich damals: „Gott, man könnte es eigentlich einfach mal so machen, dann wäre alles in Ordnung. Es würde so viel mehr Sinn machen und einfacher sein, wenn man von Anfang an es so oder so hätte“. Aber manchmal muss ein solcher Umweg sein. Warum? Wirst du vielleicht nie erfahren, doch Gott weiß es ganz genau.

Und wenn du mal durch eine Wüste, eine Wüstenzeit, gehen solltest, wird von dir nur eins verlangt: die Stille, das Stillsein. Kannst du das? Mir fehlt das oft richtig schwer (und die Schnelllebigkeit, die unseren Alltag prägt, macht dies übrigens auch nicht unbedingt einfacher). Damals, bei dem Umweg, den ich in meinem Mamasein machen musste, stürzte ich mich z. B. auf Bücher, Webseiten, Kurse, die zeitnahe Verbesserung versprachen, statt Hilfe und Weisung bei Gott im Gebet zu suchen.

Das Stillsein bedeutet Vertrauen, kindlicher Glaube, die Einnahme der Position als Kind, Sohn oder Tochter, Gottes: Der Papa wird das regeln. Ich bleibe still, beklage mich nicht über die Umstände, über den für mich scheinbar unnötigen Umweg, sondern strecke mich nur nach Ihm (im Gebet, im Lesen von Seinem Wort).

Verlier nicht den Mut da, wo du grade stehst bzw. wo du gerade hindurch musst! Dein Papa hat dich je und je geliebt. Er sorgt für dich. Verfall nicht zurück in das Sklavenleben geplagt von Angst, Zweifeln, Selbstsicherheit, aus welchem du durch Jesus erlöst wurdest. Dein Papa hält dich in seiner Hand und geht dir voran. Und so wie den Israeliten damals spricht Gott auch dir ganz persönlich zu: „Ich werde für dich kämpfen. Du aber sollst still sein.“

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